Doch diese Sichtweise reicht aus zwei Gründen nicht. Einerseits deshalb nicht, weil die Lobpreisungen der operativen Ausgaben seitens der EU-Kommission durch gründliche sozial-ökonomische Effizienzkontrollen der ausgegebenen Gelder überprüft werden müssten; weil im Besonderen zu prüfen wäre, ob nicht gleiche Geldmittel, wenn sie nicht von der EU, sondern von den betreffenden Mitgliedstaaten selbst ausgegeben worden wären, effizienter ausgegeben worden wären; weil ganz allgemein mit dem Prinzip der Subsidiarität endlich ernst gemacht werden müsste. Diese Zusammenhänge muss man beispielsweise berücksichtigen, wenn die konjunkturelle und strukturelle Bedeutung von EU-Investitionen in den Mitgliedstaaten hervorgehoben wird. Denn gleichzeitig sind den Mitgliedstaaten mit den angepassten nationalen Beiträgen doch Finanzmittel entzogen worden. Das wirkt „ceteris paribus“, unter sonst gleichen Umständen, nachfragedämpfend und kann etwa nationale Infrastrukturmaßnahmen verhindern. Allerdings muss man dabei noch etwas Weiteres berücksichtigen.
Denn andererseits reicht die bisherige Sichtweise auch deshalb nicht, weil die Nettopositionen der Mitgliedstaaten als weitere Kriterien eine wichtige Rolle spielen müssen, und dies neben der Feststellung, wer in welchem Umfang „Empfänger“ ist. Es muss gefragt werden: Was sind die Salden, wenn wir bei den einzelnen Empfängern von den empfangenen operativen Ausgaben die angepassten nationalen Beiträge abziehen?
Nehmen wir aus Lewandowskis langer Reihe der Mitgliedstaaten als Empfänger operativer Ausgaben nur Spanien und Deutschland, wiederum für 2008. („Zahlmeister“, Kapitel 1, S. 25): Die nach Spanien geflossenen operativen Ausgaben (12,0 Mrd.) waren höher als die angepassten nationalen Beiträge (9,5 Mrd.), so dass Spanien mit 2,5 Milliarden Euro ein Nettoempfänger war. Im Gegensatz dazu waren die nach Deutschland geflossenen operativen Ausgaben (11,0 Mrd.) niedriger als die angepassten nationalen Beiträge (18,9 Mrd.), so dass Deutschland mit –7,9 Milliarden Euro ein Nettozahler war.
Auf die 27 Mitgliedstaaten bezogen heißt das: Sämtliche Empfänger eines Jahres können der Reihe nach zur weiteren politischen Beurteilung in die beiden Gruppen der Nettoempfänger und Nettozahler aufgeteilt werden (Finanzbericht 2008, S. 108, letzte Spalte). Und eine nähere Prüfung zeigt, dass Deutschland mit dem zuvor genannten Betrag von –7,9 Milliarden Euro zugleich der größte Nettozahler war. Ein Hauptempfänger und der größte Nettozahler, ein Zahlmeister, passen demnach zusammen.
Weiterlesen: 4. Die „ganz normale“ Transferunion
(aus: „Deutsche Eckwerte – Beteiligung Deutschlands am EU-Haushalt seit der Wiedervereinigung“ von Prof. em. Dr. Franz-Ulrich Willeke [PDF-Datei zum Herunterladen])