Ist das genehmigte Stammkapital der Höhe nach festgelegt und sind die dafür Haftenden hinreichend geknebelt, muss bestimmt werden, wie der ESM das Stammkapital realisieren soll. Dafür sind zwei Wege vorgesehen: Nach dem Vertrag wird das Stammkapital „in eingezahlte Anteile und abrufbare Anteile unterteilt“ (Art. 8, Abs. 2).
Die „eingezahlten Anteile“ im Gesamtnennwert von 80 Milliarden Euro sollten ursprünglich von den 17 Mitgliedstaaten unmittelbar nach Inkrafttreten des Vertrages tatsächlich in einem Betrag eingezahlt werden. Daher der Name „eingezahlte“ Anteile. Nun sind daraus fünf gleiche Jahresraten gemacht worden (Art. 41, Abs. 1). Der deutsche Anteil an den 80 Milliarden in Höhe von rund 22 Milliarden (27,1464 Prozent) muss demnach in fünf Raten mit je 4,4 Milliarden geleistet werden. Allerdings sind die Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen verpflichtet, die Ratenzahlungen jeweils zu „beschleunigen“ – eine der (noch relativ harmlosen) Regelungen, mit denen die Belastungsschraube seitens des ESM angezogen werden kann (Art. 41, Abs. 2).
Nach Abzug der „eingezahlten Anteile“, über die also auf jeden Fall schon disponiert worden ist, verbleiben dem ESM vom Stammkapital noch 620 Milliarden „abrufbare Anteile“. Darunter befinden sich die von Deutschland garantierten abrufbaren Anteile in Höhe von 168 (=190 – 22) Milliarden Euro (genau sind es 168 307 680 000 Euro). Der ganze, bis zu einem gewissen Grade heimtückische Charme der „abrufbaren Anteile“ – also der weiteren Forderungen des ESM an die haftenden Mitgliedstaaten! – offenbart sich aber erst so richtig, wenn man die Abrufe mit den sie auslösenden Anlässen zusammen sieht. Deshalb fragen wir erst nach den Bedingungen, die zu einem Abruf führen können.
Weiterlesen: 6. Eine Herberge „Zum fröhlichen Interventionismus“
(aus: „Lasst Euch das nicht gefallen! Eine Streitschrift gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus“ von Prof. em. Dr. Franz-Ulrich Willeke [PDF-Datei zum Herunterladen])