8. Nettobelastungen und Haftungssummen

Ein benachbartes Thema ergibt sich, wenn wir an die seit dem Frühjahr 2010 mit immer größerer Heftigkeit betriebene EU-Politik denken, die Staats- und Bankenschuldenkrise mit öffentlich organisierten Krediten und deren Absicherung durch Haftungssummen zu organisieren. Als diese mit der Metapher „Rettungsschirme“ bedachte Politik begann, spielte bei den Argumenten der deutschen Politiker die Tatsache, dass Deutschland innerhalb der EU bereits in hohem Maße als Nettozahler engagiert ist, so gut wie keine Rolle. Das ist zwar, wenn ein bisschen Sarkasmus erlaubt ist, „verständlich“. Denn angesichts der auf den deutschen Steuerzahler aufgrund der Haftungssummen drohenden Belastungen hätte es nur gestört, wenn gleichzeitig auf politischer Bühne offen über die Belastungen Deutschlands innerhalb des EU-Haushalts gesprochen worden wäre.

Was jedoch, wenn wir die Spalte 5 der Tabelle von oben durchgehen, festgehalten werden sollte:

■ Im Frühjahr 2010 hätte sich, wenn man denn ernsthaft nachgehakt hätte, an Hand der bis dahin seitens der Europäischen Kommission veröffentlichten Daten ergeben, dass die Nettobelastung Deutschlands seit der Wiedervereinigung 177,3 Milliarden Euro ausmachte (noch ohne Hochrechnung).

■ Als im Herbst 2011 die betreffenden Ergebnisse für das Jahr 2010 in die Berechnung einbezogen werden konnten, hätte man die Auskunft bekommen können, die Nettobelastung liege inzwischen bei 197,8 Milliarden Euro.

■ Und noch ein Jahr später, im Herbst 2012, ließ sich aufgrund des gerade veröffentlichten Finanzberichts 2011 ermitteln, dass sich bereits bis zum 31. Dezember 2011 eine deutsche Nettobelastung von 208,9 Milliarden Euro angesammelt hatte.

■ Berücksichtigt man zusätzlich, dass auch mit den Haftungssummen Beträge „in Gegenwartspreisen“ gemeint sind, dann ist es, um korrekte Vergleiche anzustellen zu können, schon aus diesem Grund zwingend, die Nettobelastungen Deutschlands auf gegenwärtige Preisniveaus hochzurechnen: Auf diese Weise waren zum 31. Dezember 2010 231,8 Milliarden Euro und zum 31. Dezember 2011 schließlich 248,5 Milliarden Euro erreicht worden.

■ An dieser im Rahmen des EU-Haushalts bereits realisierten und ständig weiter ansteigenden „Grundlast“ (jeweils in Gegenwartspreisen ausgedrückt) müssen die Haftungssummen gemessen werden. Sie stellen zunächst potentielle finanzielle Lasten dar, die erst bei Fälligkeit zur jeweiligen Grundlast addieret werden können.

Weiterlesen: 9. Die Eckwerte verfallen nicht

(aus: „Deutsche Eckwerte – Beteiligung Deutschlands am EU-Haushalt seit der Wiedervereinigung“ von Prof. em. Dr. Franz-Ulrich Willeke [PDF-Datei zum Herunterladen])