4. Die „ganz normale“ Transferunion

Sind die Nettobeiträge der Nettozahler und die den Nettoempfängern gewährten Nettoleistungen bekannt, wird sichtbar, dass wir es mit einer Transferunion zu tun haben. Wir müssen nämlich davon ausgehen, dass Jahr für Jahr die Summe der Nettobeiträge gleich der Summe der Nettoleistungen ist (Zur Begründung vgl. „Zahlmeister“, Kapitel 1, S. 30 ff.). Damit zeigt sich, dass wir es mit einer exakten  Umverteilung von den Nettozahlen zu den Nettoempfängern zu tun haben, durch die „im ganz normalen Rahmen des EU-Haushalts“ eine Transferunion begründet wird.

Die EU-Kommission nimmt diese somit „ganz normale“ Transferunion in ihren, nunmehr von Lewandowski verantworteten Finanzberichten kaum zur Kenntnis. Sie stellt zwar seit langem Jahr für Jahr fest, dass der Saldo zwischen der Summe der Nettobeiträge und der der Nettoleistungen „null Komma null“ ist (siehe beispielsweise den jüngsten Finanzbericht 2011, S.110, Operative Haushalts-salden; aber das kann durch alle Finanzberichte hindurch zurückverfolgt werden). Die Europäische Kommission macht jedoch, wie aus den Finanzberichten ebenfalls zu entnehmen ist, über die Höhe der jeweils in einem Jahr umverteilten Summe keine Aussage. Diese Summen kann man sich zwar selber ausrechnen, doch die Europäische Kommission vermeidet mit dieser kleinen Ausblendung, über die im EU-Haushalt eingebaute Transferunion weiter nachdenken zu müssen. Wenigstens tut sie es nicht öffentlich.

Im Jahr 2008 betrug die transferierte, von den Nettozahlern zu den Nettoempfänger umverteilte Summe ±22,8 Milliarden Euro. Daran war Deutschland mit dem schon genannten Nettobeitrag von –7,9 Milliarden Euro, also mit gut 34 Prozent beteiligt („Zahlmeister“, S. 25). Für die Zeit von 1991 bis 2008 ergab sich eine Umverteilung in einer Gesamthöhe von ±292,5 Milliarden Euro („Zahlmeister“, S. 105 ff.). Davon entfielen –146,0 Milliarden Euro auf Deutschland (Tabelle, Sp. 3). Scharf gerechnet waren das 49,9 Prozent der Umverteilungssumme. Zehn weitere Nettozahler trugen zusammen mit –146,5 Milliarden Euro die andere, „etwas bessere Hälfte“ von 50,1 Prozent –  nämlich Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Belgien, Schweden, Österreich, Dänemark, Finnland und Luxemburg.

Die darin steckende „Schieflage“ wird klar, wenn man unterstellt, dass die BNE aller Nettozahler mit ihren jeweiligen Nettobeiträgen proportional belastet sein sollten. Unter dieser Bedingung hätte sich Deutschland an der (gegebenen) Umverteilungssumme mit 84,9 Milliarden Euro, also mit 29,0 Prozent, zu beteiligen gehabt. Entsprechend wären auf die anderen zehn Nettozahler zusammen 71,0 Prozent entfallen („Zahlmeister“, S. 111).

Weiterlesen: 5. Eine weitere Nettobelastung

(aus: „Deutsche Eckwerte – Beteiligung Deutschlands am EU-Haushalt seit der Wiedervereinigung“ von Prof. em. Dr. Franz-Ulrich Willeke [PDF-Datei zum Herunterladen])