Im ersten Schritt war davon auszugehen, dass die Beteiligung der Mitgliedstaaten am EU-Haushalt vornehmlich durch die nationalen Beiträge (und erst zweitrangig durch die Überweisung von Zolleinnahmen und Zuckerabgaben) begründet wird. Die an den Bruttonationaleinkommen(BNE) und den Mehrwertsteueraufkommen bemessenen jährlichen nationalen Beiträge werden von der Europäischen Kommission Jahr für Jahr mehrfach korrigiert. Dies nicht zuletzt deshalb, weil infolge des Großbritannien gewährten Abschlags („Rabatte“) auf die nationalen Beiträge die anderen Mitgliedstaaten zum Ausgleich mehr zu zahlen haben. Was schließlich nach Berücksichtigung aller Korrekturen herauskommt, sind die „angepassten“ nationalen Beiträge.
Eine genauere Darstellung der zuvor angesprochenen Zusammenhänge findet sich in meinem Buch „Deutschland, Zahlmeister der EU“ (im Folgenden als „Zahlmeister“ zitiert) in den Kapiteln 1 (S. 23 ff.) und 2 (S. 37 ff.). Als weitere Quellen wurden folgende von der Europäischen Kommission herausgegebene Berichte verwendet: Für die älteren Daten „Aufteilung der EU-Ausgaben 2005 nach Mitgliedstaaten, September 2006“; für die weiteren Daten „Der EU-Haushalt 2006. Finanzbericht“ und entsprechend in Fortsetzung bis „Der EU-Haushalt 2011. Finanzbericht“ (erschienen im September 2012); alle Berichte werden im Folgenden zitiert als „Finanzbericht“ mit dem jeweiligen Datum, auf den sich der Bericht inhaltlich bezieht.
Zur Illustration der Berechnung der angepassten nationalen Beiträge wurden in meiner Analyse die im Frühjahr 2010 jüngsten verfügbaren Daten, nämlich die für das Jahr 2008 verfügbaren, verwendet (Finanzbericht 2008). Für Deutschland ergab sich nach Berücksichtigung aller von der Europäischen Kommission vorgenommenen Korrekturen für das eine Jahr ein angepasster nationaler Beitrag in Höhe von 18,9 Milliarden Euro („Zahlmeister“, S. 25).
Im zweiten Schritt war über den Zeitraum zu befinden, für den die Untersuchung, ausgehend von den jüngsten Daten sozusagen rückwärts gerichtet, gelten soll. Ein möglichst langer Zeitraum ist zweckmäßig, um Zufälligkeiten einzelner Jahre möglichst weitgehend zu neutralisieren. Andererseits war es wegen des auch wirtschaftlich so bedeutsamen historischen Einschnitts der deutschen Wiedervereinigung naheliegend, 1991 als das erste vollständige Jahr nach der Wiedervereinigung als Ausgangsjahr zu wählen.
Der damit sich ergebende Untersuchungszeitraum von 1991 bis 2008 beträgt „immerhin“ 18 Jahre, aber auch nicht mehr. Dass dieser nicht (sogar noch) kürzer angesetzt werden musste, ist dem Umstand zu verdanken, dass die im „Zahlmeister“ in den Kapiteln 1 und 2 beschriebene Vorgehensweise zur Bestimmung der angepassten nationalen Beiträge für alle Jahre in gleicher Weise gilt. Die zur ersten konkreten Darstellung der Zusammenhänger verwendeten Daten von 2008 haben somit auch exemplarischen Charakter. (Das gilt im übrigen schon jetzt bis 2020 weiter, weil sich durch die Beschlüsse zum Finanzrahmen 2014 bis 2020 an den allgemeinen Zusammenhängen nichts geändert hat).
Unter diesen Bedingungen sind für Deutschland seit der Wiedervereinigung 324,0 Milliarden Euro angepasster nationaler Beiträge zustande gekommen (Tabelle, Spalte 1). Vergleicht man diese die Bundeshaushalte unmittelbar betreffenden Belastungen mit den (in der Tabelle nicht genannten) angepassten nationalen Beiträgen der übrigen Mitgliedstaaten, wird die „Zahlmeisterfunktion“ Deutschlands bereits an diesem Punkt klar. Denn Frankreich mit der zweithöchsten Summe in Höhe von 243,1 Milliarden Euro lag deutlich darunter („Zahlmeister“, S. 60 f.).
Weiterlesen: 2. Deutschland als ein Hauptempfänger
(aus: „Deutsche Eckwerte – Beteiligung Deutschlands am EU-Haushalt seit der Wiedervereinigung“ von Prof. em. Dr. Franz-Ulrich Willeke [PDF-Datei zum Herunterladen])