18. Wenn wir uns wehren, sind wir nicht europafeindlich

Bedenken Sie, vor allem auch bei Ihrem Abgeordneten-Check, dass Deutschland bereits seit Jahrzehnten in der Europäischen Gemeinschaft (heute EU genannt) mit den nachweislich weitaus größten Beiträgen zum EU-Haushalt und mit einseitig hohen Nettobeiträgen als Zahlmeister der EU fungiert. Und dies in besonderem Maße zu Gunsten von Mitgliedstaaten mit relativ hoher Staatsverschuldung. An dieser Tatsache ändert sich auch nichts, wenn unsere Politiker diesen Sachverhalt in der Auseinandersetzung um die Schuldenkrise systematisch verschweigen.

Deutschland hat jedenfalls als Zahlmeister der EU bisher schon in hohem Maße finanzielle Solidarität gegenüber den anderen Mitgliedstaaten der EU geübt. Wir brauchen uns darin nichts vorwerfen zu lassen. Wir brauchen deshalb auch nicht zu akzeptieren, dass uns im Rahmen des ESM de facto jede beliebige Summe an Haftungskapital im Zeichen der Solidarität abverlangt werden soll. Mit dem Ruf „Solidarität!“ kann auch gewaltiger Missbrauch getrieben werden.

Bedenken Sie des Weiteren: Wer gegen den ESM mit seinen Gouverneuren, Stabilitätshilfen und Haftungssummen protestiert, ist damit nicht gegen die europäische Einigung, sondern gegen eine verheerende zentralistische und interventionistische Fehlentwicklung. Wenn jemand die Idee der europäische Einigung auf diese Weise in Misskredit bringen könnte, dann sind es diejenigen Spitzenpolitiker in Brüssel, die sich einen solchen Vertragstext ausgedacht haben (oder haben ausdenken lassen), und alle diejenigen Politiker und Parlamentarier in den Mitgliedstaaten, die dem zustimmen.

Misstrauen Sie denjenigen, die „mehr Europa“ als ihr Ziel nennen. Haken Sie nach. Wenn nicht „Europa“ als historisch-kulturelle und damit auch geografisch definierte Einheit gemeint ist, dann kann doch nur „mehr EU“ gemeint sein. Das sollte man nicht verschleiern. Und was für ein „Mehr“ an EU soll es denn sein? Mehr Wettbewerb nicht nur auf dem Binnenmarkt, sondern auch auf politischer Ebene, oder gerade dort nur umgekehrt mehr Zentralisation?

Damit sind Sie dann am neuralgischen Punkt: Wie viel weitere Zentralisation innerhalb der EU soll es denn sein und wohin soll das führen? Die Funktionäre in Brüssel haben offenbar nur eines im Sinn: eine immer größere Machtzusammenballung in Brüssel. Stellen Sie aber auf alle Fälle schon einmal klar, dass Sie sich das – mit dem ESM verbundene – Mehr an Souveränitätsverlust und das Mehr an finanziellen Belastungen und den damit verbundnen sozialen Skandal weder sprachlich noch inhaltlich als ein „mehr Europa“ verkaufen lassen wollen.

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(aus: „Lasst Euch das nicht gefallen! Eine Streitschrift gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus“ von Prof. em. Dr. Franz-Ulrich Willeke [PDF-Datei zum Herunterladen])