Zusammenfassung

Für diejenigen, die mit „Stabilitätshilfen“ in Form von Krediten an überschuldete Mitgliedstaaten die einzige richtige Politik zur Vermeidung einer Staatsinsolvenz und zur Vermeidung von Verlusten der Gläubiger sehen, ist der ESM offenbar die „Krönung der Alternativlosigkeit“. Für die anderen, die das kritisieren, handelt es sich beim ESM eher um die „Krönung in einer Sackgasse“.

Zum 1. Teil: Vom Bruch des Maastrichter Vertrages zum ESM-Vertrag

Es wird von der fundamentalen Regelung des Maastrichter Vertrages ausgegangen, dass eine gegenseitige Haftung der EU-Mitgliedstaaten für ihre öffentlichen Schulden verboten wurde (1. Kap.). Damit war vorgezeichnet, dass bei Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedstaates ein Insolvenzverfahren einzuleiten ist und dessen Gläubiger für den Ausfall von Forderungen selbst zu haften haben.

Doch unter Vertragsbruch seitens der maßgeblichen EU-Politiker wurde im Frühjahr 2010 genau das Gegenteil realisiert, indem Griechenland von den anderen Mitgliedstaaten bilaterale Kredite erhielt und Kreditfazilitäten für mögliche überschuldete Mitgliedstaaten bereitgestellt wurden. Zunächst sollten diese Maßnahmen nur befristet gelten. Doch mit Errichtung des ESM ist beabsichtigt, diese Art der „Bewältigung“ staatlicher Überschuldungen als Dauerlösung zu praktizieren.

Der Bundestag hat den – von der Bundesregierung auf EU-Ebene mitvollzogenen – Vertragsbruch und alle bislang daraus resultierenden Konsequenzen stets mehrheitlich mitgemacht und schließlich durch Zustimmung zum ESM-Vertrag „gekrönt“. Wegen der Bedeutung dieser Zustimmung wird darauf näher eingegangen und nach den möglichen Auswirkungen des Fraktionszwangs gefragt (2. Kap.). Allerdings muss anerkannt werden, dass es trotz Fraktionszwang eine deutliche, wenn auch nicht ausreichende, parteiübergreifende Opposition innerhalb des Bundestages gegen den ESM-Vertrag gab. Auch darauf wird eingegangen (3. Kap.).

Zum 2. Teil: Aufbau und mögliche Aktivitäten des ESM

Für die letztlich betroffenen, mit ihren Steuergeldern haftenden Bürgerinnen und Bürgern stellt sich damit die Frage, über was inhaltlich entschieden worden ist. Deshalb werden in den Kapiteln 4 bis 12 der Aufbau und die möglichen Aktivitäten des ESM wenigstens in den Grundzügen nachgezeichnet.

Die in der Konstruktion des ESM steckende Rigorosität und Bürgerfeindlichkeit kommt bereits in den Regeln zum Ausdruck, mit denen die Akteure des ESM von der Außenwelt abgeschirmt werden. Damit wird die demokratische Kontrolle dessen, was innerhalb des ESM abläuft, de facto stark eingeschränkt (4. Kap.).

Das Volumen an Finanzmitteln, für das die Mitgliedstaaten anteilig garantieren und deren Steuerzahler fällig werdende Haftungssummen tragen müssen, ist für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des ESM-Vertrages auf 700 Milliarden Euro festgelegt worden. Dieser Betrag gilt als das (anfängliche) „Stammkapital“ des ESM und muss von den Mitgliedstaaten teilweise sofort eingezahlt oder auf Abruf bereitgestellt werden (5. Kap.).

Im Rahmen derartige Abschirmungen und Absicherungen kann der ESM unter bestimmten Bedingungen „Stabilitätshilfen“ an Mitgliedstaaten leisten (6. Kap.). Als erstes Instrument werden die Kredite des ESM innerhalb von Kreditlinien genannt, aber es ist ein umfangreicheres, nicht abschließend definiertes Instrumentarium vorgesehen. An die Stelle marktwirtschaftlich adäquater Lösungen, wie Insolvenzverfahren und Schuldenschnitte, tritt eine interventionistische Politik verknüpft mit „Sparauflagen“ und ähnlichem.

Unmittelbar finanziert werden die Stabilitätshilfen des ESM hauptsächlich aus den eingezahlten Anteilen des Stammkapitals und (vor allen Dingen) dadurch, dass der ESM auf dem Kapitalmarkt als Kapitalnehmer auftritt. Damit gerät der ESM finanzielle unter Druck, wenn von ihm gewährte Stabilitätshilfen nicht an ihn zurückgezahlt werde können, er jedoch weiterlaufende Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern hat (7. Kap.).

Zur Abdeckung derartiger Verluste stehen dem ESM dann insbesondere die bei den Mitgliedstaaten abrufbaren Anteile seines „Stammkapitals“ zur Verfügung. Die sich damit dem ESM erschließenden Möglichkeiten zum Kapitelabruf werden ausführlicher dargestellt (8. bis 10. Kap.). Bei den Kapitalabrufen zeigt sich in besonderem Maße, wie sehr sich die Mitgliedstaaten durch Annahme des ESM-Vertrages den jeweiligen Entscheidungen der ESM-Akteure unterworfen haben, ohne dass die nationalen Parlamente noch einmal einzubeziehen wären.

Längerfristig ist zusätzlich von besonderer Tragweite, dass das Stammkapital des ESM weiter erhöht werden kann, ohne dass im ESM-Vertrag Genaueres über die Häufigkeit und den Umfang derartiger Erhöhungen festgelegt worden ist (11. Kap.). Allerdings müssen die nationalen Parlamente zustimmen. Dass sich Deutschland einer Erhöhung des Stammkapitals – obwohl gemäß ESM-Vertrag rechtlich zulässig – widersetzen würde, ist vor allem bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Bundestages kaum zu erwarten (12. Kap.).

Zum 3. Teil: Konsequenzen und Reaktionen

Die Konstruktion des EMS und die damit weiterschreitende Entmachtung der Mitgliedstaaten der Eurozone bedeutet für die große Masse der Steuerzahler eine bis dahin beispiellose, auf Dauer angelegte Umverteilung von unten nach oben (13. Kap.). Schon deshalb muss – auf die Deutschen bezogen – der 29. Juni 2012, der Tag der Abstimmung über den ESM-Vertrag im Bundestag, als ein „Schwarzer Freitag“ eingestuft werden (14. Kap.).

Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Politik der „Rettungsschirme“, nunmehr gekrönt durch den ESM, in der deutschen Zivilgesellschaft zu vielfältigen neuen, anhaltenden Empörungen geführt hat. Dazu gehört einerseits eine große Zahl an Verfassungsbeschwerden und gerichtlichen Klagen, von denen nur einige beispielhaft genannt werden (15. Kap.). Das Bundesverfassungsgericht hat am 12. September 2012 den ESM-Vertrag als verfassungskonform passieren lassen – mit einigen Auflagen, die jedoch keine Änderungen und damit keine Neuverhandlung von Regelungen der ESM-Vertrages notwendig machten (16. Kap.). Mit der Feststellung der Verfassungskonformität wird jedoch seitens des Bundesverfassungsgerichts kein Urteil darüber abgegeben, ob der mit dem ESM-Vertrag verfolgte politische Weg etwa der alternativlos richtige ist (u.ä.).

Zu den Empörungen in der deutschen Zivilgesellschaft zählen andererseits weitere gezielte, zum Teil umfangreiche Aktivitäten, auf die nur in Ansätzen eingegangen wird (17. Kap.). Was jedoch klar gestellt werden muss: Alle diejenigen, die mit rechtsstaatlich zulässigen Mitteln gegen den ESM kämpfen, können nicht deshalb in die „europafeindliche Ecke“ gestellt werden (18. Kap.).

Was jedoch bei allen Empörungen dieser Art fehlt, ist der unmittelbar wirksame politische Hebel. Deshalb wird für eine auf breiter bürgerlicher Basis gestützte neue Oppositionspartei im Deutschen Bundestag plädiert (19. Kap.). Damit sind alle Bürgerinnen und Bürger gefragt, sich zu engagieren, um den ESM schließlich doch noch zu Fall zu bringen.

Die Streitschrift stellt den ESM schließlich in den größeren Zusammenhang (20. Kap.), indem die Kritik an der Europäischen Zentralbank (EZB) einbezogen wird, die mit ihrer Politik zur unmittelbaren finanziellen Stützung von Staatshaushalten ihr im Maastrichter Vertrag erteiltes Mandat überschritten hat, stets und gegebenenfalls ausschließlich das Ziel der Geldwertstabilität zu verfolgen.

Somit mündet die Streitschrift in die Aufforderung an die Bürgerinnen und Bürger, sich – nunmehr auf der Grundlage besseren Wissens – gegen die drohende Doppelbelastung infolge zunehmender Haftungssummen und zunehmender Inflation zu wehren.

Weiterlesen: 1. Über die Unfähigkeit des Bundestags zu erschauern

(aus: „Lasst Euch das nicht gefallen! Eine Streitschrift gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus“ von Prof. em. Dr. Franz-Ulrich Willeke [PDF-Datei zum Herunterladen])