Zur Realisierung der Knebelung fehlte nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten. Dass diese Unterschrift zunächst nicht erteilt wurde, ist – zumindest auch – mannigfachen Empörungen in der deutschen Zivilgesellschaft zu verdanken. Vor allem deren Manifestation in mehr als 70 Verfassungsbeschwerden veranlassten, wie in der Presse gemeldet wurde, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), den Bundespräsidenten zu bitten, die Verhandlungen und Beschlüsse des BVerfG abzuwarten. So wurde auf dieser Ebene wenigstens die Idee der Gewaltenteilung praktiziert. Unter den Beschwerdeführern vor dem BVerfG ist Die Linke, die als einzige Bundestagsfraktion die Zustimmung zum ESM verweigert hatte und so gesehen nur noch konsequenterweise auch klagte.
Verfassungsbeschwerden stellen ein wichtiges Element gelebter Demokratie dar. Sie zwingen das Bundesverfassungsgericht als eine der Spitzen der nationalen „Dritten Gewalt“ dazu, in mehr oder weniger großem Umfang zur Verfassungskonformität gesellschaftspolitisch wichtiger Sachverhalte Stellung zu beziehen. Verfassungsbeschwerden machen viel Arbeit und setzen voraus, dass einige Bürger bereit sind, für „den großen Rest“ der Nation in die Bresche zu springen. Zu den wiederholt in europäischen Streitfragen aufgetretenen Klägern zählten, was die Verfassungsbeschwerde gegen den ESM-Vertrag betrifft, die Professoren Hankel, Nölling, Schachtschneider und Starbatty, nunmehr ergänzt durch Dr. Bandulet, sowie Dr. Gauweiler, MdB, vertreten durch Professor Murswiek.
Die unter der Geschäftsführung von Roman Huber arbeitende Bürgerbewegung Mehr Demokratie e.V initiierte eine Verfassungsbeschwerde, die von der ehemaligen Bundesjustizministerin Prof. Däubler-Gmelin und Professor Degenhart vertreten wird. Diese schon länger angekündigte Verfassungsbeschwerde konnten Sie zu Ihrer eigenen Sache machen: Indem Sie den Beschwerdeführern eine Vollmacht erteilten, konnten Sie als Mitkläger auftreten. Es wurden 12 000 Vollmachten erteilt. Einer zweiten Verfassungsbeschwerde dieser Bürgerbewegung traten weitere 25 000 Bürger mit ihrer Vollmacht bei. Mit zusammen 37 000 Vollmachten wurde damit auf dieser Ebene eine bislang noch nicht beobachtbare Demonstration des Bürgerprotestes verwirklicht. Ob Sie nun von diesen Möglichkeiten, eine Vollmacht zu erteilen, Kenntnis erhielten und eine Vollmacht erteilten oder nicht: Jedenfalls hat hier die Zivilgesellschaft im Zeitalter der elektronischen Kommunikation besonders deutlich gezeigt, dass die Repressionen der politischen Klasse nun doch nicht hinreichen, um uns als Bürger mundtot machen zu können (siehe: http://verfassungsbeschwerde.eu).
Weiterlesen: 16. Verfassungskonform und dennoch geputscht?
(aus: „Lasst Euch das nicht gefallen! Eine Streitschrift gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus“ von Prof. em. Dr. Franz-Ulrich Willeke [PDF-Datei zum Herunterladen])